Dr. Martin Friedmann (1895-1943)

Der Kapellmeister und Komponist Dr. Martin Friedmann, der zwischen September 1919 und Mai 1921 am Landestheater Coburg tätig war, kam am 3. Januar 1895 in Leipzig als Sohn des Konsuls und Händlers Jacob Friedmann und dessen Ehefrau Antonie geb. Scheidling zur Welt. Nach dem Studium von Jura und Musik wurde er zum Militärdienst eingezogen und während des Ersten Weltkriegs zeitweise als Sanitäter eingesetzt.
Nach einem ersten Engagement im Intimen Theater in Nürnberg im Jahr 1915 kam Friedmann im Mai 1917 nach Bad Kissingen und dirigierte in den folgenden drei Jahren zahlreiche Operetten. Seine musikalische Tätigkeit findet in den Rezensionen der Saale-Zeitung überwiegend große Anerkennung, wobei dem jungen Dirigenten sicher auch zugute kam, dass er sich mit dem Orchester des Wiener Konzertvereins, den heutigen Wiener Symphonikern, auf ein hervorragendes Ensemble stützen konnte. Bereits nach der Spielzeit 1919 verließ Martin Friedmann die Kurstadt, weil die künstlerische Perspektive am Kurtheater einer solch kleinen Stadt doch begrenzt war und er nicht weiter auf das Genre der Operette reduziert bleiben wollte.

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Deshalb bewarb er sich am Coburger Landestheater, wo ihm der neue Intendant Anton Ludwig, der den jungen Kapellmeister kannte und schätzte, eine Stelle als Chorleiter und Operettendirigent anbot mit der Option, eventuell auch Opern zu dirigieren.
Martin Friedmann nahm das Angebot an und zog im September 1919 nach Coburg, in der Hoffnung hier noch bessere berufliche Bedingungen zu finden. Doch die nachfolgenden Jahre sollten eine Enttäuschung für ihn werden, denn von Anfang an sah er sich Anfeindungen ausgesetzt, die sicher auch mit seiner jüdischen Herkunft zu tun hatten. In Coburg, der ersten deutschen Stadt, in der 1929 die Nationalsozialisten den Stadtrat dominierten und den Bürgermeister stellten, gab es bereits zu Beginn der Weimarer Republik starke völkische und antisemitische Tendenzen. Insbesondere der amtierende Generalmusikdirektor Alfred Ottokar Lorenz, ein überzeugter Antisemit, machte Friedmann das Leben schwer. Er sah in Friedmann einen unliebsamen Konkurrenten, der seine Vormachtstellung am Coburger Theater gefährdete. Lorenz versuchte den jungen Dirigenten auf jede erdenkliche Art zu schikanieren, zu demütigen und in die Schranken zu weisen.

Auch wenn Intendant Ludwig Friedmann zum „Ersten Koordinierten Kapellmeister“ ernannte und sich damit gegen die Machtansprüche von Lorenz wandte, um Friedmann als gleichberechtigten Dirigenten des Orchesters zu etablieren, wurde dies von Lorenz und seiner Anhängerschaft nicht akzeptiert und die Auseinandersetzungen gingen in unveränderter Schärfe weiter. Zwar wurde Generalmusikdirektor Lorenz im März 1921 von Intendant Ludwig vom Dienst suspendiert, doch auch nach dessen Weggang konnte sich Friedmann nicht dauerhaft in Coburg etablieren. Die ständigen Kämpfe hatten ihm auch gesundheitlich zugesetzt und so gab er im Mai 1921 seine Stellung als Kapellmeister auf und erklärte seinen Rücktritt.

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In den folgenden Jahren versuchte er, an früherer Wirkungsstätte wieder Fuß zu fassen. So hielt er sich während der Sommermonate 1922 und 1923 nochmals in Bad Kissingen auf. Er war hier wieder als Kapellmeister angestellt und als Dirigent für die musikalische Leitung zahlreicher Operettenaufführungen verantwortlich. Inzwischen gastierte hier in den Sommermonaten das „Orchester des Münchner Konzertvereins“ (das 1928 in „Münchner Philharmoniker“ umbenannt wurde). Häufig arbeitete Friedmann bei diesen Aufführungen mit Theaterintendant Otto Reimann zusammen, der die Inszenierung übernahm. Die Wintermonate verbrachte Friedmann in Nürnberg, bevor er 1924 für eine Theatersaison nach Stralsund ging.

Auch die nächsten Jahre sollten dem so erfolgreich gestarteten Dirigenten keinen dauerhaften Erfolg bringen. Es folgten rasch wechselnde Engagements u. a. in Stralsund, Recklinghausen, Bad Salzungen, Bad Liebenstein, Essen, Hannover und Leipzig. Dabei beschränkte sich das Repertoire, das er zur Aufführung brachte, immer mehr auf Werke der leichten Muse, was sicherlich nicht seinem künstlerischen Anspruch entsprochen hat.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde die Situation für ihn noch schwieriger, denn die für die Ausübung einer künstlerischen Tätigkeit erforderliche Mitgliedschaft in der Reichsmusikkammer blieb ihm aufgrund seiner jüdischen Herkunft verwehrt.
Friedmann, der schon 1934 in den Niederlanden gastiert hatte, emigrierte im Februar 1935 endgültig in die Niederlande, lebte in den folgenden Jahren in Amsterdam und arbeitete als Komponist, Dirigent und Arrangeur an verschiedenen Revuen und Theatern. Dabei arbeitete er mit dem berühmten holländischen Theaterproduzenten René Sleeswijk zusammen und konnte auch seine eigene Operette „Rebell aus Liebe“ zur Aufführung bringen.

Als nach der Besetzung der Niederlande durch deutsche Truppen die jüdischen Emigranten auch hier dem NS-Terror ausgesetzt waren, tauchte Martin Friedmann im Dezember 1942 unter, um der drohenden Deportation zu entgehen. Doch bereits wenige Monate später im März 1943 wurde er verhaftet und im Durchgangslager Westerbork inhaftiert. Von dort wurde er Anfang April nach Sobibor deportiert und unmittelbar nach seiner Ankunft am 9. April 1943 ermordet.

Martin Friedmanns Mutter Antonie war zunächst nach Paris geflohen und ging später nach Amsterdam. Seit 1941 lebte sie in Apeldoorn in einer psychiatrischen Klinik für jüdische Patienten, in der damals zahlreiche Juden Zuflucht vor der Verfolgung suchten. Antonie Friedmann starb dort im August 1942, wenige Monate bevor die Insassen der Klinik deportiert wurden. Jacob Friedmann, Martins Vater, war bereits 1915 gestorben.

QUELLENANGABEN
Die vorliegende Kurzbiografie wurde leicht verändert aus dem „Biografischen Gedenkbuch der Bad Kissinger Juden während der NS-Zeit“ von Rudolf und Marlies Walter mit deren freundlichen Zustimmung übernommen, das online veröffentlicht wurde:

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Dr. Martin Friedmann                         Friedmann Martin                  englisch

Hans-Jürgen Beck: Dr. Martin Friedmann

Übersetzung aus dem Englischen: Theresia Pfister

BILDNACHWEISE

Porträtfoto © Stadtarchiv Stralsund
Foto mit Heinrich Rehkemper © Sammlung Klaus Riehle
Die Fotos verdanken wir der freundlichen Unterstützung von Hans-Jürgen Beck