Familie Simon und ihr Privatfriedhof

Friedhof Simon
Friedhof Simon

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts siedelte sich ein jüdisches Brüderpaar in Coburg an, das den Ausgang bildete für in höchstem Maß erstaunliche Karrieren, herausragende finanzielle Erfolge, beeindruckende wirtschaftliche Entwicklungen und eine andauernde Nachwirkung.

Gemeint sind Joseph und Salomon Simon, zwei der zahlreichen Söhnen des Hoffaktors Simon Levi Simon aus Hildburghausen. Bereits seit 1801 waren sie im Besitz einer „Concession zum Hausierhandel“, was bedeutete, dass sie zwar in der Stadt und im Coburger Land Handelsgeschäfte betreiben durften, aber keine Erlaubnis zur dauerhaften Niederlassung hatten. Auch waren sie der Zollverordnung unterworfen, die unterschiedliche Tarife für „Juden zu Fuß oder Juden zu Pferd“ vorsah. Die Brüder unterhielten ihr Warenlager zunächst im „Gasthaus zum Bären“ (heute Spitalgasse 14), später dann im Nachbarhaus Nr. 12.

„Häuslichen Niederlassung“

Versuche zur „häuslichen Niederlassung“ von jüdischen Handelsleuten waren in den Folgejahren kategorisch von Stadtrat und Regierung abgelehnt worden. Die Lage änderte sich, als im Jahr 1805 oben genannter Hildburghäuser Simon Levi Simon an Herzog Franz Friedrich Anton herantrat und um Aufnahme von zwei Söhnen als „Schutzjuden“ bat. Wiederum sprachen sich sowohl der Magistrat als auch die Landesregierung einvernehmlich dagegen aus, jedoch hatte sich im Coburger Ministerium die Meinung inzwischen gewandelt.

Was seit Jahrhunderten undenkbar war, geschah am 19. August 1808: Joseph und Salomon Simon erhielten eine herzogliche Schutzurkunde und wurden damit zur Ansiedlung in Coburg berechtigt! Noch war ihnen der Erwerb von Haus und Grundbesitz zwar verwehrt, aber es sollte nicht lange dauern, bis auch diese Einschränkung fiel. Der nächste Schritt war, dass Joachim Simon, ein Sohn von Joseph Simon, die Erlaubnis zur Verheiratung erhielt und damit die Gründung einer weiteren Familie ermöglicht wurde.

Erlaubnis zur Errichtung eines privaten Friedhofs

Von da an entwickelte sich die Familie Simon in jeder Hinsicht in außerordentlicher Art und Weise: Die Anzahl der Familienmitglieder wuchs beständig, ebenso die Geschäftsräume und letztlich auch das Eigentum an Häusern und Grundbesitz. Begonnen hatte es mit dem Haus Herrngasse 4 (heute bekannt als Tourist-Information), in das die Gebrüder Simon zunächst eingemietet waren. Nachdem sie es käuflich erwerben durften, bauten sie es für ihre Zwecke um und richteten darin u.a. einen eigenen Betsaal ein. Seit dem Mittelalter hatte es in Coburg keine Synagoge oder „Juden-Schul“ mehr gegeben und wenngleich es sie hier „nur“ um einen Betsaal handelte, so diente er doch Nutzung von religiösen und feierlichen Handlungen.

Lange bevor sich im Jahr 1873 in Coburg wieder eine jüdische Gemeinde gründen durfte, erhielt die Familie Simon die Erlaubnis zur Errichtung eines eigenen und privaten Friedhofs. Dieser lag damals noch weit außerhalb der Stadt an der Straße nach Rodach (heute Ecke Rodacher Straße und Spittelleite). Die ursprüngliche Größe des Areals ist heute nicht mehr sichtbar, auch die Anzahl der Grabsteine ist auf rund ein Drittel reduziert. Eine Quelle spricht von einer ursprünglichen Fläche von 1.500 qm, in jüngeren Zeichnungen werden 782 qm ausgewiesen.

Folgenden Generationen

Die folgenden Generationen der Familie Simon erweiterten das Handelsgeschäft auch auf das Bankwesen, ebenfalls ein Novum in Coburg. Sie waren in wirtschaftlicher Hinsicht so erfolgreich und angesehen, dass mehreren von ihnen der Titel „Commerzienrath“ verliehen wurde. Ein weiteres Mitglied der Familie, Adolph Simon, wurde beispielsweise in den Aufsichtsrat der „Coburg-Gothaischen Creditanstalt berufen.

Die Eigenständigkeit der Familie Simon führte dazu, dass sie sich nicht der seit 1873 bestehenden Israelitischen Kultusgemeinde anschlossen. Sie grenzten sich ab und blieben unter sich, auch stellten sie ihren Friedhof nicht der Allgemeinheit zur Verfügung. Er blieb ausschließlich den Mitgliedern ihrer eigenen Familie vorbehalten.

Der Haus- und Grundbesitz erweiterte sich ständig, sodass sie im Laufe der Jahre und Jahrzehnte Eigentümer von mehr als zwei Dutzend Häusern waren, darunter so bekannten wie Spitalgasse 12 (ehemals WEKA), Rosengasse 8 (heute Bäckerei Feyler) oder Ketschendorfer Straße 2 (heute Villa Victoria). Darüber hinaus war die Familie aber auch großzügig der Stadt und sozialen Einrichtungen gegenüber. Es gab diverse Legate, die zu verschiedenen Anlässen (wie z.B. Hochzeiten oder Todesfällen) zur Verfügung gestellt wurden.

Niedergang der Familie Simon

Der Niedergang der Familie Simon setzte um die Wende zum 20. Jahrhunderts ein. Die Geschäfte liefen schlechter und in der Folge kam es zu Konkursverfahren. Mehr und mehr Familienangehörige verließen Coburg, zogen in deutsche Großstädte oder ins Ausland.

Als erstes Mitglied der Familie war Joseph Simon im Jahr 1851 auf dem Privatfriedhof beerdigt worden. Sein Grabstein steht noch heute. Er ist stark beschädigt, aber mit etwas Mühe lässt sich die Inschrift entziffern. Die letzten beiden der insgesamt 17 Beerdigungen auf dem Familienfriedhof fanden 1902 statt.

In der Zeit des Nationalsozialismus gab es intensive Bestrebungen seitens des Coburger Bürgermeisters, die Familie zu enteignen und den Friedhof der Stadt einzuverleiben. Man hatte andere Pläne mit dem Areal, das nun nicht mehr außerhalb der Stadt lag und als „Schandfleck“ bezeichnet wurde. Wenngleich die Enteignung nicht gelang, so wurde der Friedhof doch in seinen Ausmaßen sehr stark beschnitten, die ursprüngliche Ummauerung sowie einige Grabsteine entfernt. Sie sollen für Baumaßnahmen im Bereich des Rottenbachs verwendet worden sein.

Heute sind noch sechs Grabsteine erhalten und dokumentieren den letzten sichtbaren Beweis für eine äußerst erfolgreiche Familie, die in Coburg in jeder Hinsicht eine Sonderrolle einnahm. Der Friedhof ist nun ein geschütztes Baudenkmal und dürfte in seiner Anlage in weiter Umgebung einmalig sein, jedenfalls gibt es in ganz Franken keinen weiteren jüdischen Privatfriedhof.

Simon Levi Simon
Simon Levi Simon
Martha Oblat
Martha Oblat
Louis Simon
Louis Simon